Mündliche Erklärung vor dem Parlament

Erklärung der britischen Premierministerin im Unterhaus zur Tagung des Europäischen Rats

Premierministerin Theresa May gab im Parlament eine Erklärung zur Tagung des Europäischen Rates vorige Woche und zu den Rechten von im Vereinigten Königreich lebenden EU-Bürgern ab.

PM Theresa May

Mit Ihrer Erlaubnis, Mr Speaker, möchte ich eine Erklärung abgeben zur Tagung des Europäischen Rats vorige Woche sowie zu den Vorschlägen, die wir heute veröffentlichen und die, auf der Basis der Gegenseitigkeit, EU-Bürger, die sich in unserem Land niedergelassen haben und hier leben, beruhigen und ihnen Sicherheit geben sollen.

Mr Speaker, diese Ratstagung fand nach dem offiziellen Beginn der Verhandlungen über den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU statt und fiel auf den ersten Jahrestag des Referendums, das zu dieser Entscheidung geführt hat.

In diesem Referendum beschloss das britische Volk, die Kontrolle über unsere Gesetze, unser Geld und unsere Grenzen zurückzuerlangen; die Vorherrschaft unseres Parlaments wiederherzustellen und unser nationales Selbstbestimmungsrecht, wie wir es sehen, zurückzuerlangen. Meine Regierung wird den demokratischen Willen des britischen Volkes umsetzen.

Das Referendum war jedoch kein Votum, unseren Freuden und Nachbarn den Rücken zu kehren.

Im Gegenteil, während wir noch internationaler werden, während wir das globale Großbritannien aufbauen, das wir uns wünschen, werden wir allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union zuverlässige Partner, bereitwillige Verbündete und gute Freunde bleiben.

Wir wollen zusammenarbeiten, damit unsere andauernde Freundschaft uns allen mehr Sicherheit und mehr Wohlstand beschert.

Wir wollen so ungehindert wie möglich Waren und Dienstleistungen voneinander kaufen können.

Und wir werden die liberalen demokratischen Werte, die wir teilen, weiter hochhalten und schützen – und diese Werte, die die Grundlage unserer Freiheiten und unseres Lebensstils bilden, weiter verbreiten.

Kurzum, wir wollen jene neue, tiefe und besondere Partnerschaft zwischen einem selbstbewussten, selbstregierten global orientierten Großbritannien und allen unseren Freunden und Verbündeten in der Europäischen Union aufbauen.

Mr Speaker, das ist der positive und konstruktive Geist, in dem der Minister für den Austritt aus der Europäischen Union letzte Woche die offiziellen Verhandlungen aufgenommen hat, und in eben diesem Geist hat Großbritannien sich an allen Tagesordnungspunkten des Rates in vollem Umfang beteiligt – das waren u.a. Sicherheit, Migration, Klimaschutz und Handel.

Sicherheit

Was das Thema Sicherheit anbelangt, habe ich unseren europäischen Partnern für ihre Anteilnahme und ihre Entschlossenheit, uns nach den abscheulichen Terroranschlägen in Großbritannien in den letzten Wochen beizustehen, meinen Dank ausgesprochen.

Bei diesen Anschlägen wurden Bürger aus ganz Europa auf tragische Weise getötet und verletzt. Aber unsere Bürger haben in dieser Situation beispielhaft zusammengehalten.

Wir haben gesehen, wie ein spanischer Banker auf der London Bridge getötet wurde, als er einer Frau zu Hilfe eilte. Und wie ein rumänischer Bäcker die Terroristen abwehrte und Londonern Zuflucht in seiner Bäckerei gewährte. Diese Momente des Heldentums zeigen, dass solche Angriffe auf unsere Lebensweise uns keineswegs entzweien, sondern nur dazu dienen können, unsere Verbundenheit und Entschlossenheit zu stärken.

Aber diese Anschläge zeigen auch, Mr Speaker, dass wir auf einen neuen Trend in der Bedrohung reagieren müssen, wenn Terrorismus neuen Terrorismus hervorbringt und Täter zu Anschlägen inspiriert werden, bei denen sie einander nachahmen und die krudesten Mittel einsetzen.

Deshalb habe ich bei diesem Ratstreffen – anknüpfend an das bilaterale Abkommen, das ich Anfang des Monats mit Präsident Macron geschlossen habe – vorgeschlagen, dass wir uns zusammenschließen, um die hasserfüllten, extremistischen Ideologien zu bekämpfen, die zu diesen Anschlägen anstiften. Und um zu verhindern, dass Extremisten ungehindert das Internet nutzen können.

Wenn ein Drittel aller Links zu Propaganda für das Terrornetzwerk IS binnen einer Stunde nach der Veröffentlichung geteilt wird, reicht es nicht, wenn Technologiefirmen auf die extremistischen Inhalte auf ihren Plattformen nur reaktiv reagieren.

Daher hat der Rat beschlossen, diese Firmen aufzufordern, mehr zu unternehmen, um diese Inhalte automatisch zu löschen und den Strafverfolgungsbehörden den Zugriff auf verschlüsselte Daten zu ermöglichen.

Hiermit sind wir einen entscheidenden Schritt vorangekommen. Und wir werden weiter mit unseren europäischen Partnern zusammenarbeiten, um dieses Übel zu bekämpfen, unsere Werte zu verteidigen und unsere Bürger zu schützen.

Migration, Handel und Klimaschutz

Um auf andere Themen sprechen zu kommen, hat der Rat sich in puncto Migration erneut zu dem von Großbritannien befürworteten umfassenden Konzept bekannt, das bei den Ursachen der Migration ansetzt und den Zustrom von Menschen wirksamer eindämmen soll.

Außerdem habe ich auf diesem Gipfel bekräftigt, dass wir £75 Mio. beisteuern werden, um dringende humanitäre Hilfe in den zentralen Mittelmeerländern zu leisten und die freiwillige Rückkehr von Migranten zu erleichtern, die sich auf diese heimtückische Reise begeben.

Was den Handel anbelangt, werden wir, wenn Großbritannien aus der Europäischen Union austritt, Handelsabkommen mit alten Freunden und neuen Verbündeten schließen. Dies wird die handelspolitische Agenda der EU nicht unterminieren, und noch nicht einmal in Konkurrenz mit ihr treten.

Solange wir noch Mitglied der EU sind, werden wir also auf eine ambitionierte handelspolitische Agenda drängen, die Beschäftigung und Wachstum auf dem ganzen Kontinent schaffen kann. Und das habe ich im Rat getan, wobei ein besonderer Fokus auf den Bemühungen um Abkommen mit Japan, Mexiko und den südamerikanischen Mercosur-Staaten lag.

Beim Klimaschutz bekräftigte der Rat den Willen aller Mitgliedstaaten, das Pariser Abkommen vollständig umzusetzen.

Das Vereinigte Königreich hat seine eigene Zusage bereits bekräftigt, und ich habe Präsident Trump meine Enttäuschung darüber deutlich gemacht, dass er eine andere Entscheidung gefällt hat.

Wir werden unseren amerikanischen Verbündeten weiterhin nahelegen, dies noch einmal zu überdenken.

Rechte der Bürger

Mr Speaker, ich möchte nun auf die Rechte der Bürger sprechen zu kommen. EU-Bürger leisten einen unschätzbaren Beitrag zum Vereinigten Königreich – zu unserer Wirtschaft, unseren öffentlichen Dienstleistungen und in unserem Alltagsleben. Sie sind integraler Bestandteil des wirtschaftlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Gefüges unseres Landes, und ich habe immer deutlich gemacht, dass ich ihre Rechte schützen möchte.

Deshalb hatte ich mich zunächst um ein Abkommen hierüber bemüht, bevor wir Artikel 50 aktiviert haben. Und deshalb mache ich es jetzt zu einer unmittelbaren Priorität zu Beginn der Verhandlungen.

Dieses Abkommen, Mr Speaker, muss aber auf Gegenseitigkeit beruhen, denn wir müssen auch die Rechte der britischen Bürger schützen, die in EU-Mitgliedstaaten leben.

Ich habe im Rat einige der Prinzipien dargelegt, die diesem Abkommen auf Gegenseitigkeit meiner Meinung nach unterliegen sollten – es gab sehr positive Reaktionen von den einzelnen Regierungschefs und viel guten Willen, sich möglichst bald auf ein Abkommen zu verständigen.

Heute veröffentlichen wir nun detaillierte Vorschläge hierzu.

Die Eckpunkte davon möchte ich dem Parlament vorstellen.

Erstens möchten wir Klarheit schaffen. Ich weiß, dass manche besorgt waren, was mit EU-Bürgern geschehen würde, wenn wir die Europäische Union verlassen.

Heute möchte ich diese Sorgen zerstreuen. Ich möchte allen die Gewissheit geben, dass nach diesen Plänen kein EU-Bürger, der zum jetzigen Zeitpunkt legal im Vereinigten Königreich lebt, aufgefordert werden wird, das Land zu verlassen, wenn Großbritannien die EU verlässt. Wir wollen, dass Sie bleiben.

Zweitens wird allen EU-Bürgern, die zu einem bestimmten Stichtag fünf Jahre ununterbrochen im Vereinigten Königreich gelebt haben, ein dauerhafter Status gewährt. Im Hinblick auf die Gesundheitsversorgung, das Bildungswesen, die Sozialleistungen und die Renten werden sie behandelt, als wären sie britische Bürger. Außerdem wird jeder EU-Bürger, der weniger als fünf Jahre hier gelebt hat, wenn er vor dem Stichtag angekommen ist, so lange hier bleiben können, bis er die fünf Jahre vollendet hat und den britischen dauerhaften Status beantragen kann.

Drittens wird der Stichtag Gegenstand von Verhandlungen sein, aber er wird nicht vor dem Termin liegen, an dem wir Artikel 50 aktiviert haben, und nicht nach dem Termin, an dem wir die EU verlassen.

Viertens werden Familien nicht zerrissen. Wenn anspruchsberechtigte EU-Bürger Familienangehörige vor dem Austritt nachholen, können diese nach fünf Jahren den dauerhaften Status beantragen.

Und nachdem Großbritannien aus der Europäischen Union ausgeschieden ist, werden EU-Bürger mit dauerhaftem Status Familienangehörige aus dem Ausland zu den gleichen Bedingungen wie britische Staatsbürger nachholen können.

Fünftens wird es nicht zu einem plötzlichen Bruch kommen. Wir werden eine Übergangsfrist von zwei Jahren vorsehen, in der man seinen Status regeln kann. Außerdem können EU-Bürger, die nach dem Stichtag in Großbritannien angekommen sind, mindestens vorübergehend hier bleiben und haben vielleicht auch die Möglichkeit sich dauerhaft niederzulassen.

Sechstens wird das Registrierungsverfahren, das die Bürger durchlaufen müssen, so unkompliziert und unaufdringlich wie möglich sein, und wir möchten auch einige der technischen Anforderungen beseitigen, die derzeit mit der Beantragung des Daueraufenthalts nach EU-Recht verbunden sind.

Wir werden zum Beispiel keinen Nachweis verlangen, dass jemand umfassend krankenversichert war.

Siebtens erwarten wir, dass dieses Angebot auch auf der Basis der Gegenseitigkeit auf Staatsangehörige von Norwegen, Island, Liechtenstein und der Schweiz ausgedehnt wird.

Außerdem wird das Abkommen über die Rechte der Bürger für das gesamte Vereinigte Königreich und Gibraltar gelten.

Achtens sind die Regelungen für das Einheitliche Reisegebiet zwischen dem Vereinigten Königreich und Irland hiervon nicht betroffen. Wir werden die Freiheiten bewahren, die Staatsangehörige des Vereinigten Königreichs und Irlands gegenwärtig im jeweils anderen Land genießen. Und irische Bürger werden keinen dauerhaften Aufenthalt beantragen müssen, um diese Ansprüche zu behalten.

Schließlich wird Großbritannien britische staatliche Rente, einschließlich ihrer Erhöhungen, auch weiterhin ins Ausland überweisen und die damit verbundene Gesundheitsversorgung innerhalb der EU gewährleisten. Wir werden auch die Auslandsauszahlung anderer Leistungen und der damit verbundenen Gesundheitsversorgung schützen, sofern der Einzelne diese Leistungen zum Stichtag bezieht. Und vorbehaltlich der Verhandlungen werden wir weiter am System der Europäischen Krankenversicherungskarte teilnehmen, damit Inhaber britischer Gesundheitskarten bei vorübergehenden Aufenthalten in der EU weiter kostenlose oder kostenreduzierte Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen können, wie es auch umgekehrt für EU-Karteninhaber bei Großbritannienbesuchen gelten sollte.

Mr Speaker, dies ist ein faires und seröses Angebot. Die in unserem Vertrag mit der EU über unseren Austritt enthaltenen Verpflichtungen werden für Großbritannien nach dem Völkerrecht verbindlich sein. Und wir werden Zusagen in britisches Recht umsetzen, womit wir garantieren, dass wir unsere Seite des Abkommens definitiv einhalten werden.

Unser Angebot wird also jenen drei Millionen EU-Bürgern in Großbritannien Sicherheit für ihre Zukunft geben. Und im Gegenzug wird ein Abkommen den über eine Million britischen Bürgern, die in der Europäischen Union leben, die gleiche Sicherheit geben.

Schluss

Mr Speaker, ein Jahr nach der bedeutsamen Entscheidung, aus der Europäischen Union auszutreten, sollten wir uns in Erinnerung rufen, was wir mit diesen Verhandlungen erreichen wollen.

Wir ziehen uns aus einem Geflecht von Verträgen und bürokratischen Strukturen zurück, das für uns nicht funktioniert hat. Dies ist aber keine Abkehr von den Werten und der Solidarität, die wir mit unseren europäischen Nachbarn teilen. Als selbstbewusste, weltoffene und selbstregierte Nation wissen wir, dass nicht nur unsere Vergangenheit mit den Geschicken unserer Freunde und Nachbarn verbunden ist.

Auch unsere Zukunft ist es.

Deshalb wünschen wir uns diese neue, tiefe und besondere Partnerschaft.

Und deshalb gehen wir optimistisch in die Verhandlungen.

Weil ein gutes Abkommen für Großbritannien und ein gutes Abkommen für Europa einander nicht ausschließen.

Sie sind der beste Weg zu einer besseren Zukunft für alle unsere Kinder und Kindeskinder.

Das, denke ich, ist die Zukunft, für die das britische Volk gestimmt hat.

Und das ist die Zukunft, die ich sichern möchte.

Ich empfehle dem Parlament diese Erklärung.

Veröffentlicht am 26 June 2017