Mündliche Erklärung vor dem Parlament

Erklärung des Premierministers zum EU-Reformpaket: 3. Februar 2016

David Cameron gab heute im Unterhaus eine mündliche Erklärung zu Großbritanniens EU-Neuverhandlungen ab.

David Cameron

Mit Ihrer Erlaubnis, Mr Speaker, möchte ich eine Erklärung zum Stand unserer Neuverhandlungen abgeben.

Das Parlament hat jetzt Gelegenheit gehabt, die gestern vom Europäischen Rat veröffentlichten Dokumente zu lesen.

Dies ist sicher ein wichtiger Meilenstein in dem aus Reform, Neuverhandlungen Referendum bestehenden Verfahren, das wir in unserem Wahlprogramm angekündigt haben und das jetzt von der Regierung umgesetzt wird.

Wir haben inzwischen die Rechtsgrundlage für dieses Referendum geschaffen und führen jetzt die Neuverhandlungen. Lassen Sie mich nun auf die einzelnen Probleme eingehen, die wir lösen wollen, und die Fortschritte, die wir bereits erreicht haben.

Die immer engere Union

Erstens möchten wir nicht, dass unser Land in Europa in eine immer engere politische Union eingebunden ist.

Wir sind eine stolze und unabhängige Nation, mit stolzen, unabhängigen, demokratischen Institutionen, die uns im Lauf der Jahrhunderte gute Dienste geleistet haben.

Für uns bedeutet Europa die Zusammenarbeit zur Förderung unseres gemeinsamen Wohlstands und unserer gemeinsamen Sicherheit.

Wir wollen nicht in einem europäischem Superstaat aufgehen. Weder jetzt noch jemals in Zukunft.

Mr Speaker, die Textentwürfe enthalten eine ausführliche Beschreibung des für Großbritannien geltenden Sonderstatus, und sie klammern uns eindeutig aus der weiteren politischen Integration aus.

Sie gehen sogar noch weiter und stellen klar, dass die EU-Länder noch nicht einmal ein gemeinsames Ziel anstreben müssen.

Dies bedeutet eine formelle Anerkennung des flexiblen Europas, für das Großbritannien seit langem wirbt.

Indem ich Großbritannien aus der immer engeren Union heraushalten wollte, wollte ich auch die Rolle dieses Parlamentes und aller nationalen Parlamente stärken.

Deshalb enthalten die Texte jetzt einen Vorschlag, dass wir, wenn Brüssel einen Rechtsakt vorschlägt, den wir nicht haben wollen, uns mit anderen Parlamenten zusammenschließen und diesen Vorschlag mit einer Roten Karte blockieren können.

Und wir haben einen neuen Mechanismus vorgeschlagen, der das Subsidiaritätsprinzip ein für allemal durchsetzt – ein Prinzip, das dem Parlament sehr am Herzen liegt und das besagt, dass die Kompetenzen so weit wie möglich hier bei diesem Parlament liegen sollten, nicht in Brüssel.

Deshalb muss die EU künftig jedes Jahr die Befugnisse, die sie ausübt, durchgehen und prüfen, welche davon nicht mehr nötig sind und an die Nationalstaaten zurückgegeben werden sollten.

Wettbewerbsfähigkeit

Zweitens habe ich gesagt, wir wollten Europa wettbewerbsfähiger machen und uns mit dem Regelwerk und der Bürokratie befassen, die hier in Großbritannien und in der ganzen Europäischen Union Arbeitsplätze kosten können.

Wir haben Zusagen in allen drei Bereichen gefordert, die für die europäische Wettbewerbsfähigkeit wichtig sind. Wir wollen, dass internationale Handelsabkommen unterzeichnet werden, dass der Binnenmarkt vollendet wird und dass die Bürokratie zurückgeschnitten wird. All das ist in den Entwürfen enthalten.

Ein neuer Vorschlag sieht konkrete Ziele für den Abbau des Verwaltungsaufwands für die Wirtschaft in Schlüsselsektoren vor – dies wird insbesondere kleinen und mittleren Betrieben zugute kommen –, und es gibt einen neuen Mechanismus, diese Ziele durchzusetzen und die Bürokratie Jahr für Jahr abzubauen.

Euro-Club

Drittens ist für uns absolut klar, dass Großbritannien das Pfund behalten wird, ich denke für immer.

Aber es muss auch klar sein, dass wir das Pfund in einer Europäischen Union behalten können, die sich gegenüber unserer Währung fair verhalten wird.

Einfach ausgedrückt: die EU darf kein Club ausschließlich für Euro-Staaten sein. Wenn sie das wäre, wäre sie kein Club für uns.

Deshalb haben wir Prinzipien gefordert, mit denen der Binnenmarkt für Großbritannien geschützt wird.

Wir haben gefordert, dass es keine Diskriminierung gegen das Pfund geben darf. Keinen Nachteil für Unternehmen, die unsere Währung benutzen, egal wo in der EU sie angesiedelt sind. Und keine Möglichkeit, Großbritannien je wieder zu zwingen, Euro-Länder zu retten.

Alle diese Prinzipien sind in dem Entwurf des Textes enthalten, der rechtsverbindlich ist. Und auch hier gibt es einen Schutzmechanismus. Großbritannien hat die Möglichkeit, tätig zu werden, um diesen Prinzipien Geltung zu verleihen und unsere Interessen zu schützen.

Mr Speaker, kein Zweifel: in Großbritannien hängen Arbeitsplätze davon ab, dass wir auf dem europäischen Binnenmarkt zu gleichen Wettbewerbsbedingungen Handel treiben können, sei es mit Finanzdienstleistungen oder Autos oder was auch immer.

Wenn die Reformen beschlossen werden, werden sie Großbritannien den bestmöglichen Schutz vor Diskriminierung und unfairen Regeln und Praktiken bieten.

Die EU könnte zum Beispiel nie wieder versuchen, ihre sogenannte “Standortpolitik” durchzusetzen, wonach der Abschluss komplexer Handelsgeschäfte, die auf Euro lauten, in Euro-Ländern stattfinden muss. Dies wäre aufgrund der neuen Prinzipien untersagt.

Mr Speaker, diese Garantien hätten wir nicht, wenn Großbritannien außerhalb der Europäischen Union stünde.

Zuwanderung

Viertens möchten wir uns mit dem Problem der inzwischen zu hohen Belastung durch die Zuwanderung befassen.

Natürlich müssen wir auch die Migration von außerhalb der Europäischen Union besser kontrollieren. Das tun wir schon, und wir werden demnächst weitere diesbezügliche Maßnahmen ankündigen.

Aber wir müssen auch die Zuwanderung aus EU-Ländern kontrollieren.

Die Textentwürfe sind das stärkste Instrumentarium, das wir je hatten, um gegen den Missbrauch der Freizügigkeit vorzugehen und die Schleichwege nach Großbritannien zu beseitigen.

Es räumt Großbritannien mehr Freiraum rein, um gegen Betrug vorzugehen und zu verhindern, dass Personen, von denen eine echte und ernste Gefahr ausgeht, in unser Land kommen.

Eine neue Rechtsvorschrift kippt eine Entscheidung des Europäischen Gerichts, nach der es Tausenden von illegalen Migranten möglich war, andere EU-Bürger zu heiraten und damit ein Bleiberecht in unserem Land zu erwerben.

Zu ständigen Frustrationen hat auch die Tatsache geführt, dass wir die Einreisebestimmungen für Bürger von Drittstaaten nicht selbst festlegen können, wenn sie aus einem EU-Land kommen.

Jetzt aber, nach den intensiven Bemühungen der Innenministerin, haben wir einen Vorschlag, der dies korrigieren wird.

Mr Speaker, es gibt auch neue Vorschläge, die die Sogwirkung beseitigen sollen, die unser Sozialsystem in Europa ausübt, da es jedem Neuankömmling vom ersten Tag an Zugang zu Sozialleistungen einräumt.

Es wurde geunkt, Europa werde noch nicht einmal akzeptieren, dass wir dieses Problem haben.

Aber der Entwurf erkennt explizit an, dass Sozialsysteme als unnatürlicher Anreiz wirken können, in unser Land zu kommen.

Mr Speaker, in unserem Wahlprogramm waren vier Ziele aufgeführt, wie wir dieses Problem angehen wollten. Ich habe in der Fragestunde des Premierministers darüber gesprochen. Zwei davon hatten wir bereits binnen weniger Monate nach der Wahl erreicht.

Schon jetzt haben EU-Ausländer, während sie Arbeit suchen, keinen Anspruch mehr auf den “Universal Credit”, das neue Arbeitslosengeld. Und wenn sie innerhalb von sechs Monaten keine Arbeit gefunden haben, können sie nun zur Rückkehr gezwungen werden.

In den neuen Texten sind jetzt Vorschläge für die anderen zwei Bereiche enthalten.

Wenn jemand aus einem anderen europäischen Land kommt und seine Familie zurücklässt, richtet sich das Kindergeld nach dem im Heimatland geltenden Satz, nicht nach dem großzügigen britischen Satz.

Vor allem aber sind wir damit weitergekommen, die Sogwirkung unserer großzügigen Lohnzuschüsse für Geringverdiener zu verringern.

Dass wir mit dem Prinzip von Leistung ohne Gegenleistung aufräumen könnten, wurde von den Kritikern für unmöglich gehalten.

Auch eine 4-jährige Beschränkung der Leistung, so hieß es, käme überhaupt nicht in Frage. Aber eine solche Regelung haben wir jetzt Text.

Eine Notbremse, mit der erreicht wird, dass Personen, die aus anderen EU-Ländern nach Großbritannien kommen, vier Jahre warten müssen, bevor sie den vollen Anspruch auf unsere Sozialleistungen haben.

Und die Europäische Kommission hat sehr klar gesagt, dass Großbritannien schon jetzt die Voraussetzungen erfüllt, um von diesem Mechanismus Gebrauch zu machen.

Wir könnten ihn mit Hilfe entsprechender Gesetze schon kurz nach dem Referendum umsetzen.

Abschließend möchte ich noch etwas zum Rechtsstatus der Reformen sagen, die jetzt auf dem Tisch liegen.

Es wurde gesagt, wir würden nie etwas Rechtsverbindliches bekommen. Aber dieser Plan – wenn er beschlossen wird – wird genau das sein.

Die Reformen werden völkerrechtlich bindend sein und bei den Vereinten Nationen hinterlegt werden. Sie können nicht geändert werden ohne einstimmigen Beschluss aller EU-Länder – und dazu gehört auch Großbritannien.

Ich habe also gesagt, ich wolle Reformen, die rechtlich bindend und unumkehrbar sind, und genau das habe ich bekommen.

In wichtigen Bereichen sehen die Texte auch eine Vertragsänderung vor.

Ich denke also, Mr Speaker, dass wir in allen vier Bereichen echte Fortschritte erzielt haben. Aber der Prozess ist noch längst nicht zu Ende.

Einige Details müssen noch geklärt werden, und wir stehen noch in intensiven Verhandlungen mit den 27 anderen Ländern, um eine Einigung zu erzielen.

Hierfür braucht es Beharrlichkeit, Entschlossenheit und Geduld.

Aber ich bin überzeugt, dass Großbritannien mit diesen Textentwürfen – und dank unserer Zusammenarbeit mit unseren europäischen Partnern – jetzt fast an dem Punkt angelangt ist, an dem wir eine Entscheidung treffen können.

Es ist natürlich richtig, dass das Parlament ausführlich über diese Angelegenheit debattiert.

Neben meiner heutigen Erklärung, und natürlich einer weiteren Erklärung nach dem Rat in diesem Monat, wird die Regierung sich auch Zeit für eine ganztätige Debatte hier im Parlament nehmen.

Mr Speaker, im Vorfeld der Entscheidung möchte ich noch zwei Dinge klar stellen.

Erstens behaupte ich nicht – und werde es nie behaupten –, dass Großbritannien außerhalb der Europäischen Union nicht überleben könnte.

Wir haben die fünftgrößte Wirtschaft der Welt. Wir sind der bedeutendste verteidigungspolitische Akteur in Europa, und unser diplomatisches Netz gehört weltweit zu den umfassendsten und einflussreichsten.

Die Frage ist nicht, ob Großbritannien außerhalb der Europäischen Union bestehen könnte, sondern wie es sich den größten Erfolg sichern könnte. Wie erreichen wir den größten Wohlstand? Wie schaffen wir die meisten Arbeitsplätze? Wir sichern wir uns den größten Einfluss auf die Regeln, die für die Weltwirtschaft und auch für uns gelten? Wie können wir am sichersten leben?

Ich habe immer gesagt, dass die Lösungen für diese Fragen in einer Mitgliedschaft in einer reformierten Europäischen Union liegen.

Aber ich möchte auch noch einmal betonen: wenn wir diese Reformen nicht bekommen, kann ich nichts ausschließen.

Und zweitens: auch wenn wir diese Reformen bekommen, werden Sie mich nie sagen hören, dass diese Organisation jetzt gut in Schuss ist. Weit gefehlt.

Es gibt immer noch viel Reformbedarf und Großbritannien würde weiter eine Vorreiterrolle spielen.

Wir würden nach wie vor dafür sorgen, dass Europa funktioniert: für die Staaten Europas, für die Unternehmen Europas, für die Völker Europas und vor allem für die britischen Bürger, die arbeiten wollen, die Sicherheit wollen, die die Möglichkeiten ihres Lebens ausschöpfen wollen.

Wenn wir also bleiben, wird Großbritannien den Deckel auf dem Haushalt halten, den britischen Beitragsrabatt schützen, unnötige Bürokratie abbauen und dafür sorgen, dass die Zusagen, die wir in diesen Neuverhandlungen bekommen haben, umgesetzt werden.

Wir werden dafür sorgen, dass Großbritannien wirklich die beste beider Welten bekommt: wo die EU gut für uns ist, machen wir mit, wo nicht, bleiben wir draußen.

Wir bleiben im Binnenmarkt. Können innerhalb Europas frei reisen.

Sind Teil einer Organisation, in der die sicherheits- und handelspolitische Zusammenarbeit Großbritannien und seinen Partnern mehr Sicherheit und mehr Wohlstand bringen kann.

Aber mit Garantien, dass wir:

  • niemals Teil des Euro-Raums sein werden
  • niemals Teil des Schengen-Raums sein werden
  • niemals Teil einer europäischen Armee sein werden
  • niemals gezwungen werden, mit dem Geld unserer Steuerzahler die Euro-Zone zu retten
  • und niemals einem europäischen Superstaat angehören

Das ist unsere Perspektive.

Ein Pfad, der zu einer neuen Regelung für Großbritannien in einer reformierten Europäischen Union führt.

Eine Regelung, die Großbritannien die besten Zukunftsperspektiven bietet für Jobs, Sicherheit und Stärke.

Eine Regelung, die, wie in unserem Wahlprogramm vor fast einem Jahr versprochen, den Familien in unserem Land Sicherheit zu jedem Zeitpunkt ihres Lebens gewährt.

Das ist es, worum wir kämpfen.

Und hiermit empfehle ich dem Parlament diese Erklärung.

Veröffentlicht am 3 February 2016