Meldung

Rede von David Davis in Berlin

Rede von David Davis am 16. November 2017 beim Wirtschaftsgipfel der Süddeutschen Zeitung.

David Davis

Vielen Dank für die Einladung, heute Abend hier zu sprechen.

Es ist ein Privileg, hier im Museum für Kommunikation in Berlin zu sein, um über Großbritanniens Herangehensweise an die Verhandlungen über den Austritt aus der Europäischen Union zu sprechen.

Ich bin heute nicht hier, um in aller Ausführlichkeit über die Brexit-Verhandlungen zu berichten.

Sie wissen das schon aus der Süddeutschen Zeitung.

Und nach der Rede werde ich sicher Fragen dazu beantworten.

Lassen Sie mich nur sagen, dass wir in den Verhandlungen schon große Fortschritte gemacht haben – viel mehr, als die meisten wissen.

Ich bin gekommen, um über die Zukunft Europas zu sprechen, die in diesen Verhandlungen gestaltet wird, und ihre Bedeutung für die künftigen Generationen.

Vorhin habe ich mir etwas Zeit genommen, um durch dieses unglaubliche Museum zu gehen.

Und mir die Entwicklung der Technologie anzuschauen, die unsere Welt stärker vernetzt hat als je zuvor.

Einfach ausgedrückt, kann ich nur sagen:

In dieser stärker vernetzten Welt ist es noch wichtiger, dass das Vereinigte Königreich und Deutschland zusammenarbeiten, um unsere gemeinsamen Werte und Interessen zu schützen.

Werte, die unser Verhältnis definieren und die wichtiger sind als unsere Mitgliedschaft in bestimmten Institutionen.

Werte der Demokratie.

Der Rechtsstaatlichkeit.

Der Menschenrechte.

Des Wirtschaftsliberalismus

Und der Freiheit.

Dies sind die Werte, die die neue Partnerschaft leiten werden, die wir uns mit der Europäischen Union wünschen.

Gemeinsame Interessen

Ich weiß, dass Großbritannien und Deutschland von unterschiedlichen Ausgangspositionen in die Europäische Union gekommen sind.

Für Deutschland und andere Staaten wurde mit der EU die Grundlage für Frieden und Stabilität, Demokratie und Gerechtigkeit auf dem ganzen Kontinent geschaffen.

Die Erfahrungen des Vereinigten Königreichs sind andere. Für uns war die Europäische Union – und vorher die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft – in erster Linie ein wirtschaftliches Unterfangen.

Eines, das den Handel gefördert hat, aber stets eine öffentliche Debatte über die politische Integrität souveräner Staaten ausgelöst hat.

Das heißt nicht, dass das eine richtig und das andere falsch wäre.

Beides ist sogar miteinander verknüpft.

Handel und Frieden waren immer Ziele, die sich gegenseitig befruchtet haben.

Aber wir haben die Union einfach immer anders gesehen.

Deutschland war Gründungsmitglied. Wir entschieden uns anders.

Deutschland hat den Euro mit eingeführt. Auch hier hielten wir uns fern.

Nicht, dass wir den ungeheuren Wert des größeren politischen Projekts Europa nicht erkennen würden.

Niemand sollte Zweifel daran haben, dass wir den Erfolg der Europäischen Union wünschen.

Er liegt in unser beider Interesse.

Und das britische Volk hat zwar seine Meinung kundgetan, und wir haben beschlossen, aus den Institutionen der Europäischen Union auszuscheiden.

Aber der Brexit kann und darf nicht das Ende unserer Beziehungen zu Deutschland bedeuten.

Er darf auch nicht bedeuten, dass der Handel zwischen dem Vereinigten Königreich und Deutschland zurückgeht.

Und er untergräbt oder schmälert auch unser unerschütterliches Bekenntnis zur Sicherheit Europas nicht.

Ich glaube vielmehr, dass bei entsprechendem Willen auf beiden Seiten das Gegenteil der Fall sein kann.

Deshalb müssen wir für die Zeit nach unserem Austritt geeignete Strukturen schaffen, in denen unsere Partnerschaft florieren kann.

Wir werden uns immer – immer – den gemeinsamen Bedrohungen stellen, denen unser Kontinent ausgesetzt ist, und bei der Sicherheit Europas zusammenarbeiten.

Und die engen wirtschaftlichen Verbindungen, von denen wir beide profitieren, sollten auch in den kommenden Jahren weiter bestehen, wenn nicht sogar noch stärker werden.

Alle Fakten sprechen dafür.

Der bilaterale Handel zwischen dem Vereinigten Königreich und Deutschland beläuft sich auf insgesamt 176 Milliarden Euro pro Jahr.

Er erstreckt sich auf die gesamte Wirtschaft.

Das sind in beiden Ländern mehr als tausend Euro für jeden Mann, jede Frau und jedes Kind.

2015 wurden auf britischen Märkten deutsche Produkte aus dem Bereich der Luftfahrt im Wert von zwei Milliarden Euro verkauft.

Im selben Jahr wurden chemische Produkte und Kautschuk im Wert von 8,5 Milliarden Euro aus Deutschland nach Großbritannien exportiert.

Und Automobilexporte – BMW, Mercedes und dergleichen – landen im Wert von 29 Milliarden auf britischen Straßen.

Rund jedes dritte Auto, das in Großbritannien verkauft wird – 810.000 Pkw – kommt also aus Deutschland.

Deutschland ist unser zweitwichtigster Handelspartner, dorthin gehen 9% unserer Exporte, und wir sind Ihr viertgrößter Investor.

220.000 Deutsche arbeiten für die 1.200 britischen Unternehmen, die hier in Deutschland angesiedelt sind.

Dieser Handel schafft Arbeitsplätze.

Er fördert den Wohlstand.

Nicht nur in Großbritannien, nicht nur in Deutschland, sondern auf dem ganzen Kontinent.

Ich habe zweimal dem Vorstand eines FTSE100-gelisteten Unternehmens angehört und habe das selbst gesehen.

Angesichts dieser Faktenlage bin ich mir sicher, niemand würde diese Errungenschaften durch kurzfristige Interessen aufs Spiel setzen wollen.

Denn die Politik vor den Wohlstand zu stellen, ist nie eine kluge Entscheidung.

Vor zwei Monaten erläuterte unsere Premierministerin Theresa May unsere großen Ambitionen für die Gestaltung unseres künftigen Verhältnisses.

Eines Verhältnisses, das garantiert, dass diese Verbindungen mit unseren Freunden und Partnern wie zum Beispiel Deutschland aufrechterhalten und sogar noch ausgebaut werden.

Unsere Ambitionen beschränken sich nicht auf einen positiven Ausgang der Verhandlungen.

Denn im Grunde geht es darum, was für ein Land das Vereinigte Königreich nach unserem EU-Austritt sein will.

Gewiss, manche in der Europäischen Union haben seit dem Referendum im letzten Jahr ihre Zweifel, was für ein Land Großbritannien ist oder wofür es steht.

Wer wissen will, was eine Nation denkt, braucht eigentlich nur in die Zeitung zu schauen.

Deshalb habe ich mir ein paar Ausgaben der Süddeutschen Zeitung angeschaut. Ich habe gelesen, Großbritannien wolle „sich abschotten“.

Wir seien „kurzsichtige Inselbewohner“.

Ich fürchte, dem kann ich nicht zustimmen.

Wir sind immer noch das gleiche Land.

Wir haben noch die gleichen Werte und Prinzipien.

Wir sind ein Land, auf das sich unsere Partner verlassen können.

Die sechstgrößte Volkswirtschaft der Welt, ein Vorreiter des Freihandels weltweit.

Was den Handel anbelangt, können wir – wenn wir jetzt einen neuen Kurs für Großbritanniens Zukunft außerhalb der Europäischen Union abstecken – sein engagiertester Fürsprecher sein.

Fortsetzung der Sicherheitszusammenarbeit

Ein Land zu sein, auf das unsere Partner sich verlassen, heißt auch, dass Großbritannien seinen Beitrag zur Sicherheit unseres Kontinents leisten wird.

Von der Massenmigration bis zum Terrorismus gibt es zahllose Bedrohungen unserer gemeinsamen europäischen Interessen und Werte, die wir nur partnerschaftlich lösen können.

Deshalb haben wir unsere Ambitionen für eine Fortsetzung unserer Partnerschaft in Bereichen wie Sicherheit, Verteidigung, Strafverfolgung und Terrorismusabwehr dargelegt.

Wobei wir das volle Gewicht unserer Ressourcen – Militär, Nachrichtendienste, Diplomatie, Strafverfolgung, Entwicklungspolitik – nutzen wollen, um eine Führungsrolle bei Maßnahmen innerhalb und außerhalb Europas zu übernehmen.

An der Seite unserer engsten Partner und Verbündeten ist unsere Entschlossenheit, die Stabilität, die Sicherheit und den Wohlstand des europäischen Kontinents zu verteidigen, ungebrochen.

Denn die Bedrohungen, denen die Menschen in Europa ausgesetzt sind, sind die gleichen, ob sie ein Popkonzert in Manchester oder einen Weihnachtsmarkt in Berlin besuchen oder einfach nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln in Brüssel, Madrid oder London fahren.

Bei der Verteidigung der gemeinsamen Werte steht Großbritannien schon immer – und auch in Zukunft – an der Seite seiner Freunde und Verbündeten.

Und natürlich ist und bleibt Großbritannien ein Land, das seine internationalen Zusagen und Verpflichtungen einhält.

Das ist mehr als nur Rhetorik.

Wenn wir für Verteidigung und internationale Entwicklung, und andere außenpolitische Angelegenheiten, so viel ausgeben würden wie der EU-Durchschnitt, wären das 22 Milliarden Pfund pro Jahr weniger als jetzt.

Dies ist Geld, das zeigt, wie ernst wir unsere Rolle auf der Weltbühne nehmen, und es ist Geld, das wir weiter ausgeben werden, in unserem gegenseitigen Interesse.

Die künftige Wirtschaftspartnerschaft

Aufgrund dieser gemeinsamen Werte und gemeinsamen Geschichte sind wir, was unsere zukünftige Partnerschaft anbelangt, ambitioniert und optimistisch.

Natürlich wird die Zukunft anders aussehen. Wir wissen, dass wir nicht die Europäische Union verlassen können und gleichzeitig alles beim alten bleibt.

Wenn wir ausscheiden, verlassen wir auch den Binnenmarkt und die Zollunion.

Das ist keine ideologisch motivierte Entscheidung, sondern eine praktische Notwendigkeit, die sich aus dem Votum unserer Bürger und unserem Respekt für die vier Freiheiten der EU ergibt.

Es ist klar, dass das britische Volk für bessere Möglichkeiten zur Kontrolle gestimmt hat.

Über unsere Grenzen.

Über unsere Gesetze.

Und ein größeres Mitspracherecht über Großbritanniens Zukunft in der Welt.

Wenn wir jetzt über die Zukunft reden, ist uns durchaus bewusst, dass die vier Freiheiten des Binnenmarkts unteilbar sind.

Und dass er auf einem Gleichgewicht von Rechten und Pflichten beruht.

Wir behaupten also nicht, dass man alle Vorteile einer Mitgliedschaft im Binnenmarkt haben kann, ohne auch die Pflichten zu haben.

Wir müssen vielmehr einen neuen Rahmen finden, der eine enge Wirtschaftspartnerschaft ermöglicht, in dem diese Rechte und Pflichten sich aber in einem neuen und anderen Gleichgewicht befinden.

Der sowohl unsere besondere Ausgangslage berücksichtigt als auch unsere verlässlichen historischen Beziehungen.

Wir werden ein Drittstaatenpartner wie kein anderer sein.

Viel näher als Kanada, viel größer als Norwegen, und in besonderer Weise integriert in allen Bereichen, von den Energienetzen bis hin zu den Dienstleistungen. Die wichtigste Säule wird ein tiefgehendes und umfassendes Freihandelsabkommen sein – dessen Umfang über alles hinausgehen sollte, was die EU jemals vereinbart hat.

Ein Abkommen, das eine enge Wirtschaftspartnerschaft ermöglicht, bei dem Großbritanniens Rechte und Pflichten aber neu und anders austariert sind.

Es sollte sich unter anderem auf Güter, die Landwirtschaft und Dienstleistungen erstrecken, Finanzdienstleistungen eingeschlossen.

Es sollte einen weitestgehend zollfreien Handel gewährleisten, der so reibungslos wie möglich funktioniert.

Und es sollte flankiert werden durch eine weitere Zusammenarbeit in stark regulierten Bereichen wie Verkehr, Energie und Daten.

Ein „Aufwärtswettlauf“

Denn es gibt so vieles, was Großbritannien auch nach seinem Austritt aus der Europäischen Union mit seinen europäischen Partnern gemeinsam haben wird.

Genau wie alle anderen Europäer, wollen die Menschen in Großbritannien keine minderwertigen Waren, keine minderwertigen Dienstleistungen, keine schlechten Umweltbedingungen und keine ausbeuterischen Arbeitspraktiken.

Wir können nicht billiger produzieren als China.

Und wir werden niemals mehr Rohstoffe haben als Brasilien.

Deshalb ist das Vereinigte Königreich entschlossen, hohe Standards nicht nur zu bewahren, sondern auch noch auszubauen.

Wenn wir aus der Europäischen Union austreten, werden wir also keinen Abwärtswettlauf eingehen.

Ein solcher würde niedrigere Standards für unsere Verbraucher und schlechtere Perspektiven für unsere Arbeitnehmer bedeuten.

Nach dem Brexit wird Großbritannien eine unabhängige Handelspolitik verfolgen.

Und diese werden wir dazu nutzen, weltweit einen „Aufwärtswettlauf“ bei Qualität und Standards anzuführen.

Einen Wettlauf, den sowohl Großbritannien wie auch Deutschland durchaus gewinnen können.

Und wo es für unsere Volkswirtschaften sinnvoll und möglich ist, wollen wir das im Tandem mit unseren europäischen Partnern tun – vor allem mit Deutschland.

Waren und Dienstleistungen

Die eigentliche Frage ist also, wie diese wirtschaftliche Partnerschaft in den wichtigsten Bereichen unserer Wirtschaft – nämlich Waren und Dienstleistungen – funktionieren sollte.

Unser Warenhandel ist eng verzahnt, und ich denke, es ist im Interesse beider Seiten, dass das so bleibt.

Dass die Verbraucher und die Unternehmen auch weiterhin Zugang zu einem möglichst breiten Spektrum von Waren haben.

Dass britische und europäische Unternehmen weiter in der Lage sind, mit integrierten Lieferketten zu arbeiten.

Und dass die Sicherheit der Verbraucher und Patienten wie auch die Lebensmittelsicherheit in jeglicher Vereinbarung an oberster Stelle stehen sollten.

Der erste Schritt ist sicherzustellen, dass wir den zollfreien Handel auf ganzer Linie beibehalten.

Dafür gibt es auch schon Beispiele.

Das Freihandelsabkommen zwischen Kanada und der EU wird langfristig alle Zölle auf Industrieerzeugnisse abschaffen, wie auch die meisten Zolltarife für nichtindustrielle Güter.

Aber wir können noch weiter gehen.

Denn wir verfügen schon über bestehende Lieferketten.

Und im Gegensatz zu anderen Abkommen geht es hier nicht darum, einen bisher geschützten Markt für neue Wettbewerber aus anderen Ländern zu öffnen.

Wir sollten versuchen, das zu bewahren, was wir bereits haben.

Stellen Sie sich vor, ein BMW, der hier in Deutschland gebaut wurde, soll in Großbritannien verkauft werden.

Bisher muss dieses Fahrzeug nur ein einziges Genehmigungsverfahren in einem einzigen Land durchlaufen, um die Einhaltung der vorgeschriebenen Standards nachzuweisen.

Und diese Genehmigung wird dann überall in der Europäischen Union anerkannt.

Genau diese Art von Regelung möchten wir auch nach dem Verlassen der Europäischen Union gerne beibehalten.

Wir haben auch volles gegenseitiges Vertrauen in unsere Institutionen.

Jahrzehntelang haben wir es den deutschen Behörden gern überlassen, die nötigen Prüfungen durchzuführen um zu gewährleisten, dass Güter – von Autos bis hin zu medizinischen Geräten – für den britischen Markt tauglich sind.

Und unsere Aufsichtsbehörden arbeiten innerhalb der europäischen Agenturen zusammen.

Sie kooperieren bei technischen Bewertungen für die Zulassung von Produkten, von Arzneimitteln bis hin zu Chemikalien, zur Verwendung in der gesamten EU, und sie tauschen Daten zu Gefahren für die öffentliche Gesundheit und Sicherheit aus.

Unser Ausscheiden aus der Europäischen Union muss nicht zwangsläufig zu einer veränderten Haltung zu dieser Zusammenarbeit führen, selbst wenn wir uns auseinanderbewegen.

Dienstleistungen

Diese Grundsätze gelten nicht nur für Waren, sondern auch für Dienstleistungen.

Dienstleistungen sind ein wesentlicher Bestandteil der Wirtschaft im Vereinigten Königreich wie auch in der EU.

Einzeln und gemeinsam haben wir wegweisend dabei mitgewirkt, den Handel mit Dienstleistungen über die Grenzen hinweg zu öffnen.

An dieser Tradition sollte unsere neue Partnerschaft festhalten.

Unser Ziel ist es, dass über die Grenzen hinweg mit Dienstleistungen gehandelt werden kann – von stark regulierten Branchen wie dem Finanzdienstleistungssektor bis hin zu ganz neuen Branchen wie zum Beispiel künstliche Intelligenz.

Aber auch hier brauchen wir gemeinsame Grundsätze für unsere neue Partnerschaft im Dienstleistungssektor.

Ein offensichtlicher Ausgangspunkt wird hier die beiderseitige Einhaltung internationaler Standards sein, um zu gewährleisten, dass es in stark regulierten Bereichen keine Diskriminierung zwischen Dienstleistungsanbietern gibt.

Unser Ansatz muss faktengestützt, symmetrisch und transparent sein.

Damit aber ein solcher Ansatz langfristig Bestand hat, müssen noch ein paar andere Dinge gewährleistet sein.

Erstens bedarf es der weiteren Zusammenarbeit unserer Behörden, aufbauend auf ihrer langjährigen Kooperation.

Und zweitens brauchen wir ein effektives Streitschlichtungsverfahren, das alle Streitfälle, die sich ergeben könnten, klar und angemessen regelt.

Man würde nicht erwarten, dass solche Streitigkeiten vor britischen Gerichten verhandelt werden, aber auch nicht vor dem Europäischen Gerichtshof.

Das Verfahren muss für beide Seiten angemessen sein, damit es den Unternehmen das nötige Vertrauen in die Tragfähigkeit dieser Partnerschaft geben kann.

Arbeitnehmerfreizügigkeit

Aber bei den Dienstleistungen geht es nicht nur um die Vorschriften.

Selbst in unserer modernen Welt werden Dienstleistungen oft noch von Personen geleistet, die vor Ort tätig werden.

Das setzt jedoch voraus, dass die Menschen dorthin gelangen können.

Die Freizügigkeit wird zwar enden, wenn wir die EU verlassen, aber wie das Vereinigte Königreich klargemacht hat, wird dies nicht bedeuten, dass wir unsere Zugbrücken hochziehen – und damit unseren gemeinsamen Interessen schaden.

Großbritannien wird auch künftig Menschen sowohl aus der EU als auch aus aller Welt willkommen heißen, die bei uns arbeiten und einen Beitrag zu unserer Gesellschaft leisten wollen.

Regelungen für den Dienstleistungssektor sind heutzutage gängig in Handelsabkommen, aber angesichts unserer besonderen Ausgangssituation sollten Großbritannien und die EU auch hier versuchen, über vorhandene Beispiele hinauszugehen.

In vielen Fällen wird es auch nicht genügen, dass die Menschen Freizügigkeit haben, um ihre Dienstleistungen andernorts zu erbringen.

Sie benötigen dazu auch die Anerkennung ihrer Qualifikationen, und dies ist ein weiterer Bereich, in dem unsere einzigartige Ausgangssituation zu Buche schlägt.

Derzeit werden viele britische Abschlüsse überall in der EU anerkannt – und umgekehrt genauso.

Seit das geltende Anerkennungssystem 1997 geschaffen wurde, haben fast 26.000 Fachkräfte mit britischem Hochschulabschluss ihre Qualifikation in einem anderen EU-Mitgliedstaat anerkannt bekommen.

Nach unserem Ausscheiden aus der EU werden sich die Qualität der Ausbildung an britischen Universitäten und die hohen Standards, die für das Erreichen dieser Abschlüsse gefordert sind, nicht verändern.

Und das gilt sicher auch für die Europäische Union.

Wir haben die Qualifikationen auf der jetzigen Basis seit über zwei Jahrzehnten anerkannt und ihnen Vertrauen geschenkt.

Das ist der Grund, warum wir bestrebt sind, uns auf die Weiterführung eines Systems der gegenseitigen Anerkennung von Qualifikationen zu verständigen.

Der Weg dahin

Eine der größten Fragen ist nun also die, wie wir zu dieser neuen Partnerschaft gelangen können.

Und wenn wir jetzt diesen Weg gemeinsam ausarbeiten, möchte ich uns alle dringend bitten, kreativ zu überlegen, wie wir unsere einzigartige Ausgangsposition am besten nutzen können.

Aber ganz gleich, wie wir die Sache angehen – beide Seiten werden Zeit brauchen, um die neuen Vereinbarungen umzusetzen.

Und aus genau diesem Grund streben wir, wie die Premierministerin in ihrer Rede in Florenz dargelegt hat, eine zeitlich befristete Übergangsperiode an – wir denken an etwa zwei Jahre -, während der der Zugang zum britischen und zu den europäischen Märkten zu den derzeit geltenden Regeln Fortbestand hätte und wir sowohl die Rechte als auch die Pflichten eines EU-Mitglieds beibehalten würden, was auch die Rolle des Europäischen Gerichtshofs einschließen würde.

Während dieser Übergangszeit würden wir auch weiter allen EU-Aufsichtsbehörden und Agenturen angehören.

Das bedeutet, dass die Unternehmen sich im Zuge der Neugestaltung der Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU nur einmal auf Veränderungen einstellen müssen.

Es gibt drei Hauptgründe, aus denen wir eine solche Übergangsfrist für nötig halten.

Erstens gibt sie der britischen Regierung Zeit, neue Infrastruktur oder Systeme zu schaffen, die für die neuen Regelungen nötig sein könnten.

Zweitens ermöglicht sie es den Regierungen in der Europäischen Union, dies ebenfalls zu tun.

Man sollte nämlich nicht vergessen, dass unsere neuen Vereinbarungen nicht nur auf britischer, sondern auch auf EU-Seite Änderungen erforderlich machen könnten.

Zum Beispiel in Calais, wo jedes Jahr mehr als zweieinhalb Millionen Fahrzeuge im Straßengüterverkehr aus Dover ankommen.

Dafür müssen sie Regelungen treffen.

Und drittens – und das ist der wichtigste Grund – sorgt die Übergangsfrist dafür, dass Unternehmen weder in Großbritannien noch in der EU Entscheidungen treffen müssen, bevor sie wissen, wie die neue Vereinbarung letztlich aussehen wird.

Gäbe es keine solche Umsetzungsperiode, müssten demnächst einige dieser Entscheidungen auf der Basis von Spekulationen getroffen werden.

Und das ist der Grund, warum wir diese Frist vereinbaren möchten, sobald die EU das Mandat dafür hat.

Die Sache ist dringend – für alle 28 Mitgliedstaaten, einschließlich Großbritanniens und Deutschlands, und für unsere Unternehmen und unsere Bürger.

Meine Botschaft heute an Sie ist diese: Wenn es um eine Umsetzungsperiode und unsere wirtschaftliche Partnerschaft geht, sind Sie keine distanzierten Beobachter, sondern wesentliche Beteiligte.

Zusammenfassung

Ich habe dargelegt, welches meiner Meinung nach die Lösungen und auch die Chancen sein können, wenn wir aus der Europäischen Union austreten und ein neues Verhältnis für die kommenden Jahrzehnte gestalten.

Aber ich mache mir keine Illusionen.

Ich weiß, die laufenden Verhandlungen sind schwierig – und das werden sie vorerst auch bleiben.

Trotz alledem bin ich mir jedoch sicher, dass alle 28 EU-Mitgliedstaaten auch nach dem Austritt Großbritanniens eine glänzende Zukunft haben werden.

Wir Briten und Deutsche können uns glücklich schätzen.

Wir leben in wohlhabenden Ländern, deren Einwohner einen großartigen Lebensstandard, eine großartige Kultur haben.

Freiheit und Privatsphäre, Recht und Demokratie.

Eine starke Wirtschaft, die die Menschen in Arbeit bringt und diejenigen auffängt, die nicht arbeiten können.

Und wir leben zum Glück in einer Welt, in der die Technologie und die Globalisierung – auch wenn sie die Regierungen vor große Aufgaben stellen – enorme Chancen eröffnen.

Eine noch bessere Zukunft erwartet uns, wenn wir die von uns angestrebte positive, ehrgeizige Partnerschaft vereinbaren können.

Eine Partnerschaft, die so eng ist wie keine andere zuvor.

Die den freiest möglichen Handel mit Gütern und Dienstleistungen ermöglicht.

Und die der Tatsache Rechnung trägt, dass sich mit dem Brexit etwas ändern muss, aber auch unsere besondere Ausgangslage berücksichtigt, als Grundlage für eine neue Ordnung.

Und für eine neue, lebendige und dauerhafte Beziehung zwischen Großbritannien und Deutschland.

Veröffentlicht am 16 November 2017