Pressemitteilung

Rede des Präsidenten der COP26 am ersten Tag des Petersberger Klimadialogs

COP26-Präsident Alok Sharma sprach am ersten Tag des von Großbritannien und Deutschland gemeinsam ausgerichteten Petersberger Klimadialogs.

Petersberg Climate Dialogue logo

In seiner Eigenschaft als COP26-Präsident hielt der britische Minister für Wirtschaft, Energie und Industriestrategie Alok Sharma am Montag, den 27. April 2020, in der High Level Stakeholder Session des Petersberger Klimadialogs eine Rede.

Großbritannien, das jetzt den Vorsitz der UN-Klimakonference (COP26), führt, organisiert diesen Dialog gemeinsam mit Deutschland.

Es handelte sich um eine Online-Veranstaltung, an der internationale Organisationen, Regierungen, Unternehmer und Vertreter der Zivilgesellschaft teilnahmen.

COP-Präsident Alok Sharma sagte (in Übersetzung):

Zunächst einmal möchte ich Ihnen allen dafür danken, dass Sie sich trotz der schwierigen Umstände, mit denen wir im Moment konfrontiert sind, an dieser Diskussion beteiligen.

Ich fühle mich sehr geehrt, gemeinsam mit Ministerin Schulze Gastgeber des Petersberger Klimadialogs zu sein, und es ist großartig, an dieser hochrangigen Stakeholder-Konferenz im Vorfeld der morgigen Ministergespräche teilnehmen zu dürfen.

Während wir uns zu Recht auf die Bekämpfung der unmittelbaren Coronavirus-Krise konzentrieren, dürfen wir die enormen Herausforderungen des Klimawandels dennoch nicht aus den Augen verlieren. Hierauf hat Ministerin Ribera detailliert hingewiesen.

Wir alle wissen, dass die Klimarisiken von Jahr zu Jahr größer werden. Die Maßnahmen, die wir jetzt ergreifen, um unsere Wirtschaft wieder anzukurbeln, können profunde Auswirkungen auf die zukünftige Nachhaltigkeit und Resilienz unserer Gesellschaften und letztlich auch auf das Wohl der Menschen, aber natürlich auch der Natur haben.

Zwei der Bereiche, denen wir meines Erachtens unsere besondere Aufmerksamkeit schenken müssen, sind der Energie- und der Verkehrssektor.

Die Energiewende und ein beschleunigter Übergang zu einem emissionsfreien Straßenverkehr sind zwei der fünf großen Kampagnen, auf die sich das Vereinigte Königreich im Vorfeld der COP 26 konzentrieren wird.

Ich denke, indem wir uns gemeinsam bestimmte Probleme vornehmen, können wir in beiden Bereichen die Innovation vorantreiben, Lösungen in größerem Maßstab finden und die Kosten senken. Lassen Sie mich einmal etwas dazu sagen, was sich in diesen Bereichen in puncto Kosten getan hat.

Die Herausforderung, vor der wir stehen, lautet: Wie erzielen wir schneller Fortschritte in Richtung einer emissionsfreien und klimaresilienten globalen Wirtschaft, während wir gleichzeitig Arbeitsplätze schaffen und die Gemeinschaften während des Übergangs unterstützen? In der aktuellen Situation der Weltwirtschaft infolge von Covid-19 ist das natürlich besonders wichtig.

Um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen, müssen wir die Emissionen der Weltwirtschaft in den nächsten zehn Jahren etwa drei- bis fünfmal schneller reduzieren als in den letzten zwei Jahrzehnten.

Und deshalb sollten wir uns zusammenschließen, wie wir es heute tun – internationale Organisationen, Regierungen, die Wirtschaft, die Zivilgesellschaft – und gemeinsam besprechen, wie wir diese Herausforderung gemeinsam bewältigen können.

Unsere Anstrengungen können und müssen sich natürlich gegenseitig verstärken. Durch staatliche Politik lassen sich Investitionen der Wirtschaft fördern. Unternehmerische Innovationen wiederum können den Verbrauchern neue Optionen eröffnen. Und die Zivilgesellschaft kann Unterstützung für eine starke Politik aufbauen.

Wir leben in einem Wirtschaftsraum, der global vernetzt ist und in dem die Optionen, die jedem Land zur Verfügung stehen, in hohem Maße von den Maßnahmen abhängen, die wir gemeinsam ergreifen und die Andere ergreifen.

Und ich denke, wenn wir hier gemeinsam vorgehen, können wir viel schneller vorankommen.

Lassen Sie mich ein paar Statistiken anführen.

Im Stromsektor ist das Tempo der Fortschritte tatsächlich ziemlich beeindruckend. Die Kosten für die Solarenergie sind seit 2010 weltweit um 85% gesunken, die für die Windenergie um 49%.

Erneuerbare Energien sind bereits in zwei Dritteln aller Länder weltweit billiger als neue Kohlekraftwerke. Und schon bald wird es billiger sein, neue Anlagen für Ökostrom zu bauen, als alte Kohlekraftwerke weiter zu betreiben. Und für mich ist dies tatsächlich eine bemerkenswerte globale Errungenschaft. Alle Staaten, die diese Technologien eingesetzt haben, haben dazu beigetragen, die Größenvorteile zu erhöhen, die Innovation voranzutreiben, Investitionen zu verlagern und letztlich die Kosten zu senken.

Preiswerter, sauberer Strom ist also heute schon eine Realität. Aber der Ausstieg aus der umweltverschmutzenden Kohleverstromung ist noch nicht abgeschlossen.

Hinter dem Ziel, die Kohleverstromung, soweit sie ohne CO2-Abscheidung erfolgt, schrittweise einzustellen, stehen inzwischen die 97 Mitglieder, die sich der Powering Past Coal Alliance angeschlossen haben: das sind 33 Staaten, 27 subnationale Gebietskörperschaften, rund 37 Unternehmen und einschlägige Organisationen. Und diese Allianz erfasst heute mehr als ein Drittel der gesamten Kohleverstromungskapazität der OECD-Länder.

Selbstverständlich sollten die Industrieländer mit gutem Beispiel vorangehen, und so hat sich Großbritannien verpflichtet, bis 2024 ganz auf die Kohleverstromung zu verzichten.

Ich kann Ihnen sagen, dass im vergangenen Jahr im Vereinigten Königreich nur 2% unserer Elektrizität aus Kohlekraftwerken stammte – das ist ein Rekordtief. Noch vor acht Jahren lag dieser Anteil bei rund 40%. Wo wir effektiv arbeiten, erreichen wir also etwas.

Parallel dazu müssen wir auch die technische Hilfe, die Investitionen und – ja – die politische Unterstützung hochfahren, damit saubere Energie nicht nur für die entwickelten Länder, sondern für alle Länder die attraktivste Option wird.

Denn die Zahl der weltweit in Planung befindlichen neuen Kohlekraftwerke, die bereits schrumpft, muss vollständig auf null gedrückt werden.

Wir müssen stark von Kohle abhängige Länder dabei unterstützen, eine „just transition“, einen „gerechten Übergang“ zu schaffen – das ist ein Begriff, den wir häufig verwenden, den wir meiner Meinung nach aber wirklich umsetzen müssen. Wir müssen den Ländern helfen, zu sauberer Energie zu gelangen, und zwar so, dass Arbeitsplätze geschaffen und die Menschen, die davon am meisten betroffen sind, unterstützt werden.

Und wir müssen unbedingt zusammenarbeiten, um den fast eine Milliarde Menschen auf der ganzen Welt – es sind 850 Millionen – den Zugang zu Strom zu verschaffen, den sie jetzt nicht haben!

Was den Straßenverkehr anbelangt, sind die Aussichten auf eine billigere, sauberere Technologie ebenfalls realistisch.

Elektrofahrzeuge sind im Betrieb schon billiger als Autos mit Verbrennungsmotoren und werden voraussichtlich bis Anfang der 2020er Jahre auch billiger in der Anschaffung sein.

Die Autoindustrie leidet erheblich unter der gegenwärtigen Krise, das wissen wir alle, die wir uns in unseren jeweiligen Regierungen damit befassen. Und unsere unmittelbare Sorge gilt natürlich den Unternehmen und Arbeitsplätzen, die davon betroffen sind.

Aber für den langfristigen Erfolg der Branche und für die Gesellschaft insgesamt ist die Herausforderung des Übergangs zu emissionsfreien Fahrzeugen ebenso wichtig.

Nach den optimistischsten Schätzungen werden bis 2040 über die Hälfte der weltweit verkauften Neuwagen Elektrofahrzeuge sein. Um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen, müssen wahrscheinlich alle neuen Fahrzeuge bis dahin emissionsfrei sein. Mit anderen Worten, wir müssen das Tempo verdoppeln.

Ich glaube durchaus, dass wir das erreichen können, wenn wir zusammenarbeiten.

Großbritannien selbst hat sich bereits das Ziel gesetzt, den Verkauf von neuen Benzin- und Diesel-Pkw und -Lieferwagen bis 2040 einzustellen. Und im Februar hat unser Premierminister Boris Johnson angekündigt, dass wir dieses Ziel dank der Fortschritte auf diesem Sektor vorziehen werden, auf 2035 oder noch früher, wenn das möglich ist.

Außerdem haben wir in ein UK Battery Industrialisation Centre investiert, ein Schritt auf dem Weg zu unserem noch engagierteren Plan für eine Gigafabrik für Batterietechnologie für Elektrofahrzeuge.

Ich glaube, je mehr Länder klare Ziele und politische Vorgaben gemäß dieser Umstellung festlegen, von der ich gesprochen habe, desto schneller werden sich die Investitionen auf neue Technologien verlagern, und desto schneller werden ihre Kosten sinken. Das war bei den erneuerbaren Energien so, und das wollen wir auch in der Fahrzeugtechnik erleben.

Eine schnellere Umstellung des Strom- und Verkehrssektors wird auf jeden Fall weitreichende Auswirkungen haben, und wir alle wissen das.

Preiswerter und klimafreundlicher Strom und ein verstärkter Einsatz von Batterien und Brennstoffzellen in Straßenfahrzeugen werden uns völlig neue Wege eröffnen, um die Emissionen der Industrie, Gebäude, Luft- und Schifffahrt zu reduzieren.

Wir fangen gerade erst an, die Vorteile einer sauberen Wirtschaft zu erkennen, und müssen viel schneller dorthin gelangen.

Und ich glaube, ob wir im Süden, im Norden, im Osten oder im Westen leben, wir alle teilen einen lebensspendenden, aber unglaublich zerbrechlichen Planeten. Wir teilen eine vernetzte globale Wirtschaft. Daran gibt es keinen Zweifel, und die Folgen erleben wir jetzt auch bei COVID-19.

Aber wir teilen auch die Hoffnung auf eine blühende Zukunft.

Und ich hoffe, dass in unseren heutigen Gesprächen Möglichkeiten für eine stärkere Zusammenarbeit zur Bewältigung dieser gemeinsamen Herausforderung ausgelotet werden können. Wenn wir zusammenarbeiten, kommen wir bestimmt schneller voran.

Vielen Dank.

Hintergrundinformationen

  • Der 11. Petersberger Klimadialog ist die erste große Klimakonferenz auf Regierungsebene des Jahres und führt Minister aus 35 Ländern im Rahmen der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) zusammen.
  • Die Regierung bittet um Stellungenahmen zu ihrem Vorschlag, die Beendigung des Verkaufs von neuen Benzin-, Diesel- und Hybrid-Pkw und -Lieferwagen von 2040 auf 2035 oder einen noch früheren Zeitpunkt vorzuziehen, falls ein rascherer Übergang machbar erscheint.
Veröffentlicht am 27 April 2020