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Botschafter würdigt Rettung jüdischer Kinder

Grußwort des britischen Botschafters Simon McDonald anlässlich der Gedenkveranstaltung zum 75. Jahrestag der Kindertransporte 1938/39

Veröffentlicht wurde dies unter der 2010 to 2015 Conservative and Liberal Democrat coalition government
© (By Miriam Guterland (Own work) [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Kindertransport-Denkmal am Bahnhof Friedrichstraße, Berlin; © (By Miriam Guterland (Own work) [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Sehr geehrte Frau Bundestagsvizepräsidentin Pau,

sehr geehrter Herr Staatssekretär Rackles,

sehr verehrte Zeitzeugen, meine sehr verehrten Damen und Herren,

ich freue mich zu sehen, wie wir heute an den 75. Jahrestag der Kindertransporte nach Großbritannien erinnern: Im Berliner Rathaus, mit einer breiten Beteiligung aus Gesellschaft, Kultur und Politik.

Besonders freue ich mich über das Theaterstück und das hohe Engagement der Schüler. Das zeigt, wie wichtig die Erinnerung an die Vergangenheit besonders für junge Menschen ist - damit sie sich in der Gegenwart und Zukunft jeder Ausgrenzung entgegen stellen können. Ich freue mich auch, dass heute Zeitzeugen der Kindertransporte anwesend sind. Es ist wichtig, dass Sie ihre Erfahrung und Lebensleistung an junge Menschen weitergeben.

Auf meinem letzten Auslandsposten war ich britischer Botschafter in Israel. In Tel Aviv hatte ich die Ehre, Nicholas Winton kennen zu lernen: Ein Brite, der in der Tschechoslowakei gearbeitet und in den 1930ern 669 Kinder gerettet hat. Er hat Jahrzehnte lang nicht über seine Taten gesprochen – bis in die 1970er, als seine Frau im Dachboden des Hauses einen Schuhkarton voller Dokumente über die geretteten Kinder fand.

Er erklärte, dass er schwieg, weil er dachte, er hätte versagt: sein größter Kindertransport sollte am 3. September 1939 stattfinden – nach Kriegsausbruch kam dieser Transport nicht mehr zustande. Erst als er älter wurde, konnte er von der Bedeutung seiner Arbeit überzeugt werden. Die Königin hat ihn im Jahr 2002 zum Ritter geschlagen. Noch heute, im Alter von 104 Jahren, arbeitet er daran, die Kindertransporte und ihre Umstände bekannt zu machen.

Vor 75 Jahren haben die Kindertransporte insgesamt mehr als 10.000 bedrohten Kindern das Leben gerettet. Britische Familien nahmen die Flüchtlingskinder auf oder spendeten Geld. Hunderte haben ihr Leben riskiert, damit Tausende überleben können.

Alle dieser Helfer haben den beeindruckenden Appell von Lord Baldwin verwirklicht, dem früheren britischen Premierminister. Im Januar 1939 wandte er sich direkt an die britische Bevölkerung und bat um Unterstützung für die Kindertransporte. Die in Deutschland verachteten deutschen Juden und ihre Kinder suchten einen Zufluchtsort: „they may not be our fellow subjects, but they are our fellow men“ – „Sie mögen nicht unsere Staatsbürger sein, aber sie sind unsere Mitmenschen“, so Lord Baldwin.

Auch 75 Jahre nach den Kindertransporten sind diese Worte aktuell: verfolgte und bedrohte Menschen mögen nicht unsere Staatsbürger sein – aber sie sind unsere Mitmenschen. Wir müssen uns deshalb weiterhin aktiv gegen jede Art der Verfolgung engagieren. Die Erinnerung an die Kindertransporte – die Erinnerung daran, dass selbst in unmenschlichen Zeiten Hilfe möglich ist – hilft uns dabei.

Vielen Dank.

Veröffentlicht am 20 January 2014