Rede

Großbritanniens und Deutschlands besondere und dauerhafte Partnerschaft

Rede von Staatsminister Greg Hands beim Ludwig-Erhard-Gipfel am 12. Januar 2018 in München

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Es gilt das gesprochene Wort

Es ist ein Vergnügen, heute bei Ihnen zu sein, besonders in einem so anregenden Ambiente. Ganz besonders freue ich mich, dass ich meine Rede auf Deutsch halten kann. Ich mag die deutsche Sprache.

Bei mir zu Hause wird tatsächlich viel Deutsch gesprochen. Wenn ich nach meinem Arbeitstag als britischer Staatsminister für Handelspolitik nach Hause komme, erwarten mich meine deutsche Frau und unsere zwei Kinder, die beide besser Deutsch sprechen als ich!

Und ich muss sagen, meine Kinder wissen ihre doppelte Staatsbürgerschaft zu schätzen.

Wie Sie sich denken können, ist Fußball in meinem Wahlkreis Chelsea & Fulham ein großes Thema. Vor der letzten Weltmeisterschaft habe ich meinen Sohn deshalb gefragt: „Wen wirst du denn unterstützen?“

„Also Papa“, sagte er, „ich splitte meine Loyalität fünfzig zu fünfzig zwischen England und Deutschland. In der ersten Halbzeit bin ich für England, und dann schlage ich mich auf die Seite Deutschlands.“ Ein kluges Kind.

Wir haben auch ein Haus in Deutschland, und ich besuche fast jedes Jahr die Parteitage der CDU und der CSU. Ich glaube fast, dass ich in den beiden Parteien mehr Freunde habe als sie selbst untereinander.

Meine Verbindung zu Deutschland reicht weiter zurück als meine Laufbahn in der Politik. In den Jahren 1985 bis 88 habe ich lange im damaligen West-Berlin gelebt.

Den Berliner Dialekt – Berlinerisch – habe ich als Badewärter im exotischen Sommerbad Kreuzberg kennengelernt. Und auch bei allen möglichen Ferienjobs, zum Beispiel im Kaufhaus des Westens (dem KaDeWe), oder sogar bei McDonalds.

Ich denke, in dieser Zeit habe ich angefangen, mich in die deutsche Kultur, die Menschen hier und die deutsche Sprache zu verlieben.

Deshalb freue ich mich, dass ich heute über die besondere, dauerhafte Partnerschaft zwischen unseren Ländern sprechen darf.

Meine Ministerkollegen und ich glauben fest an diese Partnerschaft und an die Chancen für eine Zusammenarbeit in den kommenden Jahren. Wenn es mir gelingt Ihnen das heute zu vermitteln, dann bin ich nicht umsonst hier.

Im Juni 2016 entschied sich die britische Bevölkerung demokratisch für den Austritt aus der Europäischen Union.

Der Brexit bekam mehr Stimmen, als unsere Premierminister Margaret Thatcher, Tony Blair oder David Cameron jemals erhalten haben. Für den Austritt haben 1,3 Millionen mehr Wähler gestimmt als für den Verbleib.

Der Auftrag des britischen Volkes an seine Politiker – auch wenn sie wie ich vor dem Referendum auf der Remain-Seite gestanden hatten – ist damit glasklar.

Seit jenem historischen Votum ist mehr als ein Jahr vergangen, und die Lage hat sich geändert. Unser Land definiert sich nicht mehr durch den Ausgang des Referendums, sondern durch seinen Willen, einen Erfolg daraus zu machen.

Und ich glaube, der Brexit kann ein Erfolg werden, wenn die Verhandlungsführer auf beiden Seiten ihre Sache richtig machen.

Ich sehe Großbritanniens Zukunft als unabhängige Handelsnation optimistisch. Und ich bin auch optimistisch über unsere neue Partnerschaft mit Europa und Deutschland.

Wie Premierministerin Theresa May gesagt hat, wollen wir der engste Freund und Partner der EU sein. Wir wollen, dass wir Seite an Seite erfolgreich sind.

Die britische Bevölkerung hat beschlossen, die Europäische Union zu verlassen. Wir haben nicht beschlossen, Europa zu verlassen.

Auch nach unserem Austritt wollen wir unsere Beziehungen in den Bereichen Handel, Sicherheit, Strafverfolgung und strafrechtliche Zusammenarbeit aufrechterhalten und, wenn möglich, weiter festigen.

Im Jahr 2016 importierte Großbritannien aus der EU Waren im Wert von 242 Milliarden Pfund.

Gleichzeitig exportierte Großbritannien in die Union Waren im Wert von 145 Milliarden Pfund.

Für Großbritannien bedeutet das ein Defizit im Warenhandel mit der EU von 97 Milliarden Pfund.

Deshalb ist für beide Seiten vorteilhaft, wenn Großbritannien einen möglichst zoll- und schrankenfreien Zugang zu den europäischen Märkten bekommt – und der EU den gleichen Zugang zum britischen Markt gewährt.

Die Statistiken, die ich angeführt habe, sind beeindruckend, aber noch wichtiger sind die Gemeinsamkeiten in unserer Kultur und unseren Anschauungen, die unseren Handelsbeziehungen zugrunde liegen.

Wie Ludwig Erhard glauben wir an die Fähigkeit des Freihandels, unsere Wirtschaft zu fördern, die Lebensbedingungen unserer Bürger zu verbessern und auch die Welt sicherer zu machen.

Ludwig Erhard hat selbst gesagt: „Der Wert der menschlichen Arbeit wächst mit der Weite des Wirtschaftsgebiets.“

Unser Austritt aus der EU bedeutet nicht, dass wir uns von diesem Wunsch nach einer besseren Welt verabschieden.

Wir werden uns sogar noch stärker dafür einsetzen.

Vor unserer Entscheidung, die Europäische Union zu verlassen, hatte es mein Ministerium – das Ministerium für internationalen Handel – nicht gegeben. Die Handelspolitik hatte viele Jahre lang keinen Platz am Kabinettstisch gehabt.

Heute steht der Handel ganz oben auf unserer Agenda. Für unsere neue, tiefe und besondere Partnerschaft mit Europa, aber auch für unsere Beziehungen zur übrigen Welt. Unsere beiden Länder müssen sich mit ganzer Kraft für den Freihandel einsetzen, gerade in Zeiten, in denen er Befürworter braucht. Die Notwendigkeit, sich dem Protektionismus entgegenzustellen, macht die britische und die deutsche Regierung zu Verbündeten.

Was den Brexit anbelangt, hat die Premierministerin klar gesagt, dass wir nicht an einer Lösung „von der Stange“ interessiert sind. Vielmehr bietet er Großbritannien und der EU eine echte Chance, für die Zukunft eine neue, ambitionierte Wirtschaftspartnerschaft aufzubauen.

Ein ehrgeiziges Projekt – aber lassen Sie mich noch einmal Ludwig Erhard zitieren: „Ich habe in meinem Leben die Erfahrung gemacht“, sagt er, „dass man mit kleinen Dingen allzu leicht scheitert, dass aber große Pläne von jener Faszination erfüllt sind, die auch die Menschen rührt und die schon einen Teil des Gelingens ausmacht.“

Letztes Jahr war ich auf dem Parteitag der CDU, und da hat es mich sehr überrascht, aus der Rede von Angela Merkel zu erfahren, dass die größte Demonstration in Deutschland in den letzten Jahren nicht gegen Putin, Assad oder selbst Trump gerichtet war, sondern gegen TTIP.

Wenn wir uns für den Freihandel stark machen, dann natürlich auch im Rahmen der Handelspolitik der EU. Solange wir Mitglied sind, werden wir die laufenden Verhandlungen mit Drittstaaten unterstützen. Und auch nach unserem Austritt werden wir weiter für eine Liberalisierung des Handels auf EU-Ebene eintreten.

Als Nachbarländer wünschen wir uns wohlhabende Marktwirtschaften. Das ist in unserem nationalen Interesse und – aus unserer Sicht – auch der Weg zu mehr Sicherheit auf der Welt.

Natürlich kann man nicht über die Wirtschaft sprechen, ohne die verteidigungspolitischen Interessen zu erwähnen, die Großbritannien und Deutschland gemeinsam haben.

Wenn wir die Sicherheit unserer Bürger gewährleisten und unsere Werte und Interessen schützen wollen, muss unsere Zusammenarbeit auch nach dem Brexit auf ihrem jetzigen Niveau erhalten bleiben.

Eine solche Zusammenarbeit ist überaus wichtig. Nicht nur, weil wir den gleichen Bedrohungen ausgesetzt sind, sondern auch, weil wir die Werte Frieden, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit teilen.

Ich bin sicher, wir können den Geist der Zusammenarbeit und des gegenseitigen Vertrauens, der zwischen uns herrscht, auch für unsere zukünftigen wirtschaftlichen und politischen Beziehungen nutzen.

Tatsächlich gibt es wenige Länder auf der Welt, die wirtschaftlich so stark verbunden sind wie Deutschland und das Vereinigte Königreich.

Wir sind seit vielen Jahren natürliche Handelspartner.

Aus Deutschland kommen 13% aller britischen Importe – nirgendwo kaufen wir mehr. Das heißt: Jedes achte Pfund, das in Großbritannien für Importe ausgegeben wird, geht nach Deutschland.

Für Investitionen gilt Ähnliches. 2016 investierte Großbritannien in Deutschland 21 Milliarden Pfund. Die britischen Unternehmen, die hier angesiedelt sind, beschäftigen rund 240.000 Mitarbeiter. Damit sind wir Ihr drittgrößter Investor.

Für diese Menschen – die Mitarbeiter der Allianz-Versicherung in Guildford in Surrey oder die von Rolls Royce in Brandenburg (ganz in der Nähe des Ortes, in dem meine Familie und ich ein Haus besitzen) – gehört die Partnerschaft zwischen Großbritannien und Deutschland zum Alltag. Es sind ganz normale, unkomplizierte Beziehungen.

Diese Beziehungen möchten wir bewahren.

Ich möchte noch kurz auf die Finanzdienstleistungen zu sprechen kommen, die ja das Thema der nächsten Diskussion sind.

Wir müssen alle Optionen kreativ prüfen, glauben aber, dass wir eine gute Lösung finden können. Wir sollten unsere besondere Ausgangsposition, das einheitliche Regelwerk, nutzen, um unseren Unternehmen auch weiterhin einen leichten Zugang zu der bei weitem größten Konzentration von Finanzdienstleistungs-Knowhow und Liquidität in Europa zu ermöglichen, auch nach unserem Austritt.

Der Brexit ist also kein Versuch, wie manche behauptet haben, die Institution EU oder den Wohlstand ihrer Mitglieder zu untergraben.

Das wäre wirklich ein Eigentor. Wie die Premierministerin gesagt hat, wäre es absurd, sich etwas anderes als den Erfolg unserer Nachbarn zu wünschen.

Deshalb hoffe ich auf eine kreative Lösung für eine neue Wirtschaftsbeziehung, die allen unseren Bürgern Wohlstand bringt. Ich bin froh, dass wir inzwischen genügend Fortschritte gemacht haben, um in die zweite Verhandlungsphase einzutreten.

Präsident Tusk hat jetzt seine Leitlinien für die nächste Verhandlungsphase veröffentlicht. Sie sind Ausdruck des gemeinsamen Wunsches der EU und Großbritanniens, sich schnell auf eine Übergangsperiode zu einigen und die formellen Gespräche sehr bald aufzunehmen. Das wird der Wirtschaft die Gewissheit geben, dass wir für einen reibungslosen Brexit sorgen werden.

Der Rat hat auch bestätigt, dass jetzt Gespräche über den Handel und unsere zukünftige Sicherheitspartnerschaft beginnen werden.

Eine Übergangsperiode bedeutet, dass sich Staat und Wirtschaft nur einmal auf neue Regelungen zwischen Großbritannien und der EU einstellen müssen.

In jedem Fall sollte Großbritanniens Bedeutung als Handelspartner für die Europäische Union nicht unterschätzt werden.

Am 29. März 2019 wird Großbritannien von heute auf morgen einer der wichtigsten externen Handelspartner der EU sein.

Deshalb versteht es sich von selbst, dass wir an unseren produktiven, liberalen Handelsbeziehungen festhalten sollten. Was wäre dies sonst für ein Signal an den Rest der Welt?

In diesen Zeiten wird der Freihandel in vielen Teilen der Welt in Frage gestellt. Wenn befreundete und handelsliberale Mächte wie die EU und Großbritannien sich nicht auf ein Freihandelsabkommen einigen können, welches Signal würde das an Washington, Beijing und Delhi senden?

Ich habe vorhin gesagt, dass mein kluger Sohn sich entschied, England und Deutschland zu unterstützen. Ich finde, der Ansatz ist gut – vielleicht nicht, wenn es um Fußball geht, aber auf jeden Fall, wenn es um unseren gemeinsamen Wohlstand und unsere gemeinsame Zukunft geht.

Nur wenn wir zusammenarbeiten, können wir hoffen, die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen der kommenden Jahre meistern und unseren Wohlstand auch weiter sichern zu können.

Vielen Dank.

Veröffentlicht am 17 January 2018